Sprunginnovationen: Wie disruptiv sind deutsche Unternehmen?

Studie liefert wertvollen Input von 70 hochinnovativen Betrieben

Was hat die MP3-Audiodatei mit dem auf mRNA-Technologie basierenden Corona-Impfstoff gemeinsam? Es handelt sich in beiden Fällen um sogenannte Sprunginnovationen. Und: Sie wurden auch hierzulande entwickelt. Sprunginnovationen können zu großen Wettbewerbsvorteilen führen – wie die Corona-Impfstoffe eindrucksvoll gezeigt haben.

Eine aktuelle, vom DIHK in Auftrag gegebene Studie unter 70 hochinnovativen Unternehmen stellt nun fest: Sprunginnovationen kommen in deutschen Betrieben viel häufiger vor als gedacht – die Öffentlichkeit bekommt aber oft nichts davon mit. Begünstigt werden sie auch durch externe Schocks wie eben die Corona-Krise.

Zwar ist die Zahl der Unternehmen, die fähig sind, eine radikal neue Technik auf neuen Märkten zu platzieren, insgesamt eher klein. Allerdings kann auch ein schrittweise verbessertes Produkt (eine inkrementelle Innovation) wie beispielsweise eine Schutzmaske einen sprunghaften Anstieg in der Nachfrage erleben und somit Sprunginnovation sein.

Es besteht auch kein zwingender Grund, pausenlos vollkommen neue Produkte (radikale Innovation) zu generieren, da die Aufnahmebereitschaft der Konsumenten und Märkte dafür begrenzt ist. Volkswirtschaftlich gesehen spielen radikale Neuheiten wie die mRNA-Vakzine jedoch eine unverzichtbare Rolle. Und zwar dann, wenn bahnbrechende Technologien nicht nur auf dem Papier existieren, sondern weiterentwickelt und zu Massenprodukten gebracht werden.

Bahnbrechendes geschieht oft im Verborgenen
Wie aber kommt es zu Disruption, und was zeichnet radikale Innovatoren aus? Hier ergab die Studie folgende Ergebnisse:

  1. Radikale Innovatoren sind oftmals forschende Unternehmer. Ihre Betriebe sind eher klein als groß. Forschende Unternehmer weisen einen hohen akademischen Bildungsgrad auf, zeichnen sich durch eine große Neugier für Neues aus und beliefern häufig Pioniermärkte sowie frühe Anwender. Sprunginnovationen fallen nicht vom Himmel, sondern sind das Ergebnis akribischer unternehmerischer Arbeit in Labors und Werkstätten – häufig in engem Austausch mit der Wissenschaft.
     
  2. Eine disruptive Innovation, die zu einer sprunghaft steigenden Nachfrage mit marktverändernder Wirkung führt, ist in Deutschland eher die Regel als die Ausnahme. Denn sowohl schrittweise verbesserte Produkte als auch bei bahnbrechend neue Produkten können diese marktverändernde Wirkung mit sich bringen. Dabei findet die Disruption bei den befragten Unternehmen oft in hochspezialisierten Geschäftsbeziehungen mit anderen Firmen statt. Diese sogenannten B2B-Märkte sind keine Massenmärkte, die das Erleben der Konsumenten verändern, sie beeinflussen vielmehr die Gewohnheiten von Produzenten. Sprunginnovationen sind daher in der Öffentlichkeit nicht so präsent, wie ihre Bedeutung es vermuten ließe.
     
  3. Disruption entsteht aus einer Wechselwirkung zwischen Innovation und Marktkräften. Zudem muss die Produktion bereit sein, auf eine sprunghaft steigende Nachfrage mit erhöhter Kapazität zu reagieren. Nur in diesem Falle findet disruptive Innovation auch in der Realität statt – wie aktuell die Produktion der Corona-Impfstoffe zeigt.

Fazit: Im Wettbewerb der Wirtschaftsregionen können sich Deutschland und Europa nur behaupten, wenn sie Produktneuheiten oder Produktverbesserungen schneller entwickeln als andere und diese – bei breiter Marktresonanz –großflächig auf den Markt bringen.

Die Studie legt nahe, dass dieser kreative Kern der deutschen Wirtschaft die notwendige Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten sollte. Die neue Agentur für Sprunginnovationen (SPRIN-D) und die IHK-Organisation können hierzu entscheidende Beiträge leisten.

Potenziale frühzeitig erkennen
Der Untersuchung lassen sich unter anderem folgende Handlungsempfehlungen entnehmen: Politik und forschende Betriebe sollten sich zum einen verstärkt austauschen, um Potenziale früher zu erkennen. Des Weiteren wird der Agentur für Sprunginnovationen empfohlen, sich eng mit "radikalen Innovatoren" auszutauschen, um Synergien zu nutzen und Informationen über potenziell disruptive Märkte einzuholen.

Die Studie kommt auch zu dem Schluss, dass eine zielgenaue und zeitlich begrenzte Förderung innovativ agierender Unternehmen sinnvoll sei – gerade, wenn es sich um risikobehaftete Innovationen handle. Schließlich wisse man meist nicht gleich zu Beginn, welche Neuheit disruptive Qualität habe und welches finanzielle Risiko dadurch für die Unternehmen entstehe.

Die Ergebnisse mit Handlungsempfehlungen an Forschungseinrichtungen und Hochschulen, an Investoren, an Unternehmen sowie an die IHK-Organisation selbst stehen zum Download bereit.

Quelle:
DIHK