AGG bei Stellenausschreibungen und Bewerbungsgesprächen

So ist es richtig

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Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) hält für Unternehmen im Bewerbungsverfahren einige Herausforderungen bereit. Verantwortliche sollten daher wissen, auf was sie achten müssen. Immerhin können unzulässige Formulierungen und Auswahlkriterien zu hohen Schadensersatzforderungen führen.

Müssen Unternehmerinnen und Unternehmer eine ihrer größten Herausforderungen benennen, dann lautet die Antwort fast immer: der Personalbereich. Aber nicht nur die Suche nach Fachkräften wird stetig schwieriger. Auch das gesamte Prozedere von der Stellenausschreibung bis zum Bewerbungsgespräch kann sich schnell zum Hindernislauf entwickeln. Gilt es dabei doch Regelungen wie das Allgemeine Gleichstellungs-gesetz (AGG) zu beachten. Denn bei einem Verstoß drohen Klagen der betroffenen Bewerberinnen und Bewerber und auf das Unternehmen können erhebliche Kosten zukommen.

Grundsätzliches zu AGG im Arbeitsrecht

Das AGG setzt vier EU-Richtlinien in deutsches Recht um. Im Arbeitsrecht verfolgt es das Ziel, die Beschäftigten vor unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligungen zu schützen.

  • Benachteiligungen aus Gründen
  • des Geschlecht,
  • des Alters,
  • einer Behinderung,
  • der Rasse,
  • der ethnischen Herkunft,
  • der Religion oder Weltanschauung oder
  • der sexuelle Identität
  • sollen verhindert werden.

Im Gesetz selbst sind diese Kriterien jedoch nicht festgelegt. Solange die Rechtsprechung noch nicht für Klarheit gesorgt hat, ist daher in jedem Fall eine weite Auslegung zu empfehlen.

Neben aktuellen und ehemaligen Beschäftigten erfasst das AGG Auszubildende, Personal von Leiharbeitsfirmen, teilweise Geschäftsführerinnen und Vorstände sowie Bewerberinnen und Bewerber. Das Verbot der Benachteiligung gilt für alle Unternehmen gleichermaßen. Außerdem sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber grundsätzlich zum Schutz ihres Personals verpflichtet. Daraus folgt, dass sie die Mitarbeitenden auch vor Benachteiligungen durch Kollegen oder unternehmensfremde Dritte schützen müssen.

AGG im Bewerbungsverfahren

Besondere Aufmerksamkeit müssen Unternehmen zunächst der Stellenausschreibung widmen. Denn bereits hier können Unachtsamkeiten teure Folgen haben. Dies gilt unabhängig davon, wo die zu besetzende Stelle veröffentlich wird. Lediglich eine gezielte Bewerbungsaufforderung an bestimmte Personen wird nicht erfasst.

Wichtig bei der Formulierung der Stellenausschreibung ist eine geschlechtsneutrale Form. Am besten wählen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dafür eine Funktionsbezeichnung wie Abteilungsleitung oder Vertrieb. Ansonsten müssen sie alle geschlechtlichen Formen – also weiblich/männlich/divers – benennen. Erfordert die Position bestimmte Merkmale wie eine Mindest-Körpergröße, sollte die Formulierung vorab juristisch überprüft werden.

Unternehmen sollten in der Ausschreibung auch auf jede Form von Altersangabe verzichten. Dies gilt auch für Formulierungen wie „langjährige Erfahrung“ oder „für unser junges Team“. Falls erforderlich, ist es besser, konkret die nötige Erfahrung zu beschreiben wie „mindestens fünfjährige einschlägige Berufserfahrung“. Auch weitere Anforderungen sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber immer exakt benennen und nur dann anführen, wenn die Stelle sie tatsächlich erfordert. Dies können zum Beispiel „hervorragende Kenntnisse der deutschen Sprache“ sein. „Deutsch als Muttersprache“ würde dagegen Bewerberinnen und Bewerber aufgrund ihrer ethnischen Herkunft diskriminieren.

Zulässige Ungleichbehandlungen

Nicht jede Benachteiligung ist jedoch unzulässig. Will ein Unternehmen seine Schwerbehindertenquote erfüllen, darf es entsprechende Bewerbungen bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigen und dies in der Stellenausschreibung erwähnen. Denn dadurch sorgt ein Arbeitgeber nach § 5 AGG lediglich für den Ausgleich bereits bestehender Nachteile.

Ebenfalls zulässig kann die ungleiche Behandlung von Bewerberinnen und Bewerbern sein, wenn die Art der auszuübenden Tätigkeit dies erfordert. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn ein Opernhaus für sein Ensemble eine Sopranistin sucht. Bewirbt sich daraufhin ein männlicher Opernsänger und verweist auf seine Erfahrungen und Erfolge als Countertenor, kann er zurecht abgelehnt werden. Denn für die ausgeschriebene Position der Opernsängerin stellt das Frau-Sein eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar.

Bewerberauswahl und Vorstellungsgespräch

Auch bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber darf es nicht zu Ungleichbehandlungen kommen. Deshalb sollte die Vorauswahl einem festen Schema folgen. Mögliche Anforderungen für die Einladung zum Vorstellungsgespräch können sich an der Form der Bewerbungsunterlagen, der Aus-bildung, der sonstigen Qualifikation oder bisheriger Beurteilungen orientieren. Ein Aussortieren nach Geschlecht, Alter, Herkunft oder von Bewerbungen ohne Foto ist unzulässig.

Am Vorstellungsgespräch sollten von Unternehmensseite mindestens zwei Personen teilnehmen. Kommt es nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens zu Diskriminierungsvorwürfen, kann damit in jedem Fall ein weiterer Verantwortlicher den Ablauf bezeugen. Außerdem sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber einen festen Fragenkatalog erarbeiten.

Die Fragen müssen sich nach den Anforderungen der Stelle ausrichten und die berufliche Qualifikation der Bewerber in den Fokus rücken. Neben Noten, Ausbildung und Berufserfahrung können die Gründe für die Bewerbung und das Interesse am Unternehmen eine Rolle spielen. Fragen nach Alter, Familien-planung, Partei- oder Religionszugehörigkeit sind unzulässig. Sie liefern nicht nur Gründe für mögliche Schadensersatzklagen. Vielmehr können wahrheitswidrige Antworten vom Unternehmen nach einer Einstellung nicht angefochten werden.

Bei einer Absage sollten Unternehmen Bewerberinnen und Bewerbern schließlich keine Angriffsfläche für eine mögliche Klage bieten. Deshalb sollten sie keine Gründe nennen und eine neutrale Formulierung wählen. Als Formulierung bietet sich an: „Wir haben uns für eine/n andere/n Bewerber:in entschieden. Daher müssen wir Ihnen leider absagen.“

Wer Absagegründe nennen will, muss sich darüber im Klaren sein: Allzu schnell können hierbei Fehler unterlaufen und das Unternehmen macht sich angreifbar. Selbst bei telefonischer Nachfrage sollten Ansprechpartner daher keine weiteren Auskünfte geben.

Dokumentation und Archivierung des Bewerbungsprozesses

Grundsätzlich ist immer das Unternehmen in der Beweispflicht, dass es im Bewerbungsprozess nicht zu Diskriminierungen kam. Deshalb ist die durchgängige Dokumentation einschließlich der Entscheidungsgrundlagen zu empfehlen.

Im Auswahlprozess sollten die Verantwortlichen die Bewerbungsunterlagen einscannen oder kopieren, da Originale auch nach einer Ablehnung nicht beim Unternehmen bleiben dürfen. Die Einwilligung dazu kann durch einen Hinweis in der Ausschreibung eingeholt werden. Da Bewerberinnen und Bewerbe Ansprüche innerhalb von zwei Monaten nach Zugang einer Absage geltend machen müssen, sollte die Dokumentation für mindestens drei Monate archiviert werden.

Martina Schäfer, FINIS Kommunikation