1. Insolvenzrecht (Artikel 1)

Die straf- und haftungsbewehrte Insolvenzantragspflicht von 3 Wochen wird bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Die Aussetzung ist aber nicht möglich, wenn die Insolvenz nicht auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht oder keine Aussichten auf Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeiten bestehen.

Das BMJV erhält durch Verordnungsermächtigung die Möglichkeit, die Aussetzung bis höchsten zum 31.03.2021 zu verlängern.

Ziel des Gesetzes: Für Unternehmen, die infolge der COVID-19 Pandemie insolvent geworden oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, soll Zeit gegeben werden, um die notwendigen Vorkehrungen zur Beseitigung der Insolvenzreife zu treffen, insbesondere um zu diesem Zweck staatliche Hilfen oder um Finanzierungs- und Sanierungshilfen in Anspruch zu nehmen.

Das Gesetz enthält eine Vermutungsregelung, die die Antragspflichtigen entlastet: Bei bestehender Zahlungsfähigkeit zum 31.12.2019 ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die spätere Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Die Aussetzung der Antragspflicht deckt nach Art. 6 des Gesetzes zudem rückwirkend auch den Zeitraum ab dem 01.03.2020 ab. Mit der Rückwirkung soll verhindert werden, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für einige Unternehmen, die von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen sind, bereits zu spät kommen kann.

Im Wesentlichen sind fünf Maßnahmen im Insolvenzrecht zum Schutz der betroffenen Unternehmen vorgesehen:

  1. Die Antragspflicht soll nach Art. 1, § 1 ausgesetzt werden. Ausnahme: Die Insolvenzreife beruht nicht auf der COVID-19-Pandemie oder es bestehen fehlende Aussichten auf die Beseitigung der Insolvenzreife (s. o.).
  2. Geschäftsleiter sollen nach Art. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 nur eingeschränkt für Zahlungen haften, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife vornehmen. Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgende Zahlungen gelten, dass diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Insbesondere erfasst werden sollen Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen. Diese Regelung soll es Geschäftsleitern ermöglichen, während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Rahmen von Sanierungsbemühungen erforderliche Maßnahmen zur Fortführung der von der COVID-19-Pandemie betroffen Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang zu ergreifen.
  3. Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht an von der COVID-19-Pandemie betroffene Unternehmen gewährte neue Kredite sollen nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen sein (vgl. Art. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3); ihre Besicherung und eine bis zum 30.09.2023 erfolgende Rückgewähr sollen zudem als nicht gläubigerbenachteiligend gelten (vgl. Art. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2). Dies soll auch für Gesellschafterdarlehen gelten, nicht jedoch für deren Besicherung. Zudem sollen die neu gewährten Gesellschafterdarlehen vorübergehend nicht nachrangig sein. Die mit den Regelungen einhergehende Einschränkung anfechtungs- und haftungsrechtlicher Risiken soll die Vergabe von neuen Krediten fördern.
  4. Zudem soll geregelt werden, dass während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erfolgende Leistungen an Vertragspartner nur eingeschränkt anfechtbar sind (vgl. Art. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 4). Die Beschränkung der Anfechtungsrisiken soll eine Fortführung der Geschäftsbeziehungen zu den von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen unterstützen. Ausgeschlossen ist der Anfechtungsschutz nur bei positiver Kenntnis vom Fehlen von Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen oder von der offensichtlichen Ungeeignetheit der Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen.
  5. Des Weiteren soll die Möglichkeit von Gläubigern, durch Insolvenzanträge Insolvenzverfahren zu erzwingen, für drei Monate eingeschränkt werden (vgl. Art. 1, § 3). Hierdurch soll den von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen Zeit für die Sanierungsbemühungen und Verhandlungen mit ihren Gläubigern verschafft werden.

Die Regelungen von Art. 1, § 2, Abs. 1 Nr. 2-4 gelten nach Art. 1, § 2 Abs. 2 auch für Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen. Gefördert werden soll so auch die Vergabe neuer Kredite an nicht antragspflichtige Unternehmen, wie z. B. Einzelhandelskaufleute, und auch für ihre Vertragspartner sollen die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen gelten. Zudem sollen die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen nach Art. 1, § 2 Abs. 4 bereits greifen, bevor eine Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) vorliegt. Hierdurch sollen frühe Sanierungsbemühungen gefördert und Unsicherheiten vermieden werden.