Die Zukunft liegt im Wasserstoff!

Interview mit Prof. Dr. Tanja Clees, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg/Institut SCAI der Fraunhofer-Gesellschaft

Professor Dr. Tanja CleesTanja Clees ist Professorin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Wissenschaftlerin am Institut SCAI der Fraunhofer Gesellschaft. Das Thema Wasserstoff begleitet ihre Forschungen seit 2013. Für sie spielt bei der Reduzierung von CO2-Emissionen Wasserstoff eine zentrale Rolle. Trotz Herausforderungen bei Infrastruktur und internationaler Zusammenarbeit sieht sie eine große Chance in der sauberen Energiequelle. 

Wasserstoff ist als Hoffnungsträger für die Energiewende schon lange im Gespräch. Trotzdem kommt nicht so richtig Schwung in den Ausbau. Woran liegt das?

Zum Glück wirkt das nur von außen betrachtet so. Wir sind schon ein ganzes Stück weiter im Ausbau von Wasserstoffnetzen, der gordische Knoten ist längst gelöst. Spätestens seit 2016, nach Abschluss des Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP I), ist das Thema bei den Unternehmen angekommen. Seitdem verfügen wir über eine gut vernetzte Branche rund um Wasserstoff, die noch weiterwachsen wird. Zudem wird das Wasserstoff-Kernnetz nun endlich gebaut.

Warum dauert der Ausbau trotzdem so lange?

Bei der Infrastruktur für Gas sind die Leitungen nach und nach entstanden und mit dem Bedarf gewachsen. Jetzt haben wir die Situation, dass eine komplett neue Infrastruktur beginnend mit dem Wasserstoff-Kernnetz aufgebaut werden muss. Das geschieht nicht nur hier in der Region, sondern international. Aber es geht voran: Ende 2032 haben wir zumindest nach Plan Wasserstoff hier in der Region. 

Müssen Unternehmen also sieben Jahre warten?

Es gibt es Pläne, bis 2029 eine neue Wasserstoffleitung aus Belgien nach Wesseling zu bauen und weitere Leitungen aus dem Nordwesten Deutschlands von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen bzw. neu zu bauen. Von Wesseling aus soll es links- und rechtsrheinisch durch den Rhein-Sieg-Kreis Ende 2032 weiter in den Süden gehen. Insbesondere die rechtsrheinische Leitung ist für die gesamte Region interessant. Beispielsweise planen die Stadtwerke Bonn eine Umrüstung der Gaskraftwerke.

 Allerdings: Die Produktion bzw. der Einkauf von Wasserstoff ist ein großer Knackpunkt in Deutschland. In Forschung und Entwicklung sind wir zwar stark, aber bei der Energie werden wir ein Transitland bleiben. Bestrebungen, Deutschland hier autark zu machen, werden zwar nicht funktionieren. Als EU sollten wir dieses Ziel aber verfolgen und die Abhängigkeit von weit entfernten Regionen reduzieren. Davon werden wir auch hier in der Region profitieren – wenn alle gemeinsam dieses Zukunftsthema vorantreiben.

Viele Unternehmen fragen sich, ob sie zukünftig Wasserstoff nutzen könnten und sollten. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Wir müssen unterscheiden: Bei Wasserstoff geht es nicht nur um Prozesswärme in der Industrie, die zumindest in Teilen elektrisch produziert werden könnte, sondern auch um eine stoffliche Verwendung, beziehungsweise eine Verwendung als Brennstoff in nachgelagerten Prozessen. Die meisten Unternehmen der Region beschäftigen sich intensiv mit Möglichkeiten der Elektrifizierung, soweit das geht. 

In den Fällen, in denen Wasserstoff in Zukunft wohl nötig wäre, ist ein möglicher Anschluss ans Wasserstoff-Kernnetz zu prüfen. Das dürfte allerdings nur für einzelne Unternehmen der Region wirtschaftlich möglich sein. Zudem gäbe es die Möglichkeit, Wasserstoff in Elektrolyseuren selbst oder in der Nachbarschaft zu produzieren, beziehungsweise in Trailern zu transportieren. Ein eigener Zugang zu einer Leitung ist also gar nicht unbedingt nötig. 

Die Auslegung von Elektrolyseuren zur Produktion von Wasserstoff und Wärme sowie der Umbau von Kraftwerksanlagen zur Produktion von Strom und Wärme, die dieser zukünftigen Nutzung gerecht werden, beschäftigen uns auch an der Hochschule. Konkret nutzen wir dazu unseren Simulator MEgy. Außerdem erforschen wir, wie der Netzumbau von Erdgas auf Wasserstoff funktionieren kann. Dafür muss insbesondere das Fernleitungsgasnetz aufgespalten werden. Wie das gelingen kann, erforschen wir in Kooperation mit dem Fraunhofer SCAI mit der Software MYNTS. 

Was den Preis angeht, wird Wasserstoff zunächst teuer sein - aber auch Erdgas wird teurer werden. Je mehr produziert und netzseitig ausgebaut wird, desto wirtschaftlicher wird der Einsatz für die Anwendungen, die nicht elektrifiziert werden können. Gemeinsam mit dem Argument, dass Erdgas ein endlicher Rohstoff ist und wir Verantwortung für die Welt unserer Kinder haben, ist Wasserstoff unverzichtbar. Ein Rückzug auf fossile Energie ist absolut kontraproduktiv und auch nicht auf Dauer wirtschaftlich.

Das Interview führte Dr. Susanne Hartmann, freie Journalistin, Köln