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Bio-Produkte beim Hotelfrühstück, per Bus und Bahn zur Wanderroute, Stadtrundfahrten mit dem E-Bus – der Tourismus in der Region wandelt sich und wird nachhaltiger. Die Veränderungen sind für die Betriebe nicht immer einfach, aber meist lohnenswert. Es sind oft kleine Schritte – doch wenn man nur genauer hinschaut, spürt man den Wandel überall.
In diesem Jahr hat der Sommer in Bonn schon früher begonnen. Am 31. Mai startete der „Summer of Change“ – ein Kulturfestival der besonderen Art. Es will den Umgang der Kultureinrichtungen mit dem Thema Nachhaltigkeit und dessen Bedeutung nicht nur für die Stadtgesellschaft sichtbar machen. Auf Initiative der Stadt und in Kooperation mit der Bundeskunsthalle werden in den kommenden vier Monaten über 30 Projektpartnerinnen und -partner aus allen Kultursparten sowie der Wissenschaft bei dem Festival dabei sein.
„Dieses Engagement soll sinnvolle und alternative Wege in eine nachhaltige Zukunft weisen“, sagt Mirjam Florio von der Koordinierungsstelle Kultur und Nachhaltigkeit der Stadt Bonn. Zudem sei der „Summer of Change“ eng mit der „Nachhaltigen Kulturstrategie für die Bundesstadt Bonn 2035“ und dem „Klimaplan 2035“ der Stadt verwoben.
Aus Bonn ist es nur ein Katzensprung ins Siebengebirge. Auch hier steht vermehrt das Thema Nachhaltigkeit auf der Agenda. Der Naturpark Siebengebirge nimmt am Projekt „Katzensprung 2.0“ des Verbandes Deutscher Naturparke (VDN) teil. Es zielt darauf ab, ein Netzwerk aus engagierten Betrieben im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu schaffen. Motto: kleine Wege, große Erlebnisse.
Kurz vor Ostern zertifizierte der Naturpark Siebengebirge 15 regionale Betriebe als „Naturpark-Partner“. Dazu zählen beispielsweise Weinhaus Hoff, Bistro Ludwig und der Campingplatz Jillieshof in Bad Honnef, Kay Weine, Einkehrhaus Waidmannsruh und das Gasthaus Otto in Königswinter oder die Wiersberger Milchhof GmbH in Hennef. Die Betriebe unterzeichneten eine Kooperationsvereinbarung. Sie basiert auf einem Maßnahmenkatalog des VDN, der verschiedene Nachhaltigkeitskriterien umfasst.
„Die Unternehmen zeichnen sich durch ihre nachhaltige Arbeitsweise, den engen Bezug zur regionalen Natur und die Förderung von umweltfreundlichen und lokalen Produkten aus“, erklärt Vanessa Plaga von der Geschäftsstelle des Naturparks Siebengebirge. „Sie tragen aktiv zur Erhaltung des Siebengebirges und zur Förderung eines verantwortungsvollen Tourismus bei.“ Die Auszeichnung ermögliche es den Betrieben, sich als Teil eines engagierten Netzwerks für die nachhaltige Entwicklung und den Erhalt der Region stark zu machen.
Der Tourismus in Nordrhein-Westfalen boomt, auch in der Region Bonn/Rhein-Sieg. Letztes Jahr besuchten rund 24,5 Millionen Gäste die Beherbergungsbetriebe und Campingplätze in NRW – laut Statistischem Landesamt vier Prozent mehr als im Vorjahr und knapp ein Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Auch die Zahl der Übernachtungen war mit 54,5 Millionen höher als 2019 und 2023.
Dabei spielt das Thema Nachhaltigkeit nach Angabe des Deutschen Tourismusverbandes eine immer wichtigere Rolle. So war 2014 ökologische Nachhaltigkeit auf Urlaubsreisen für 31 Prozent der Deutschen von Bedeutung, zehn Jahre später traf das bereits auf 48 Prozent zu. Die Relevanz von sozialer Nachhaltigkeit stieg im gleichen Zeitraum sogar von 38 auf 62 Prozent.
„das kulturfestival ,Summer of Change’ soll sinnvolle und alternative Wege in eine nachhaltige Zukunft weisen.“ Mirjam Florio, Leiterin Koordinierungsstelle Kultur und Nachhaltigkeit der Stadt BonnLaut der „ADAC Tourismusstudie 2025 – Reisen im Wandel“ ist immerhin knapp jedem dritten deutschen Reisenden ein nachhaltiges Mobilitätsangebot am Urlaubsort sehr wichtig oder wichtig, für gut ein Viertel immerhin ist „Gesamtnachhaltigkeit“ ein wichtiges Entscheidungskriterium. Und ein Drittel der Geschäftsreisenden nutzte nach Angabe des Deutschen Tourismusverbandes bereits in den Jahren 2022/23 als umweltfreundlich oder nachhaltig ausgezeichnete Unterkünfte.
Diese Zahl könnte deutlich wachsen. „Immer mehr große Unternehmen sowie Behörden mit hohem Dienstreiseaufkommen müssen darauf achten, dass die Hotels, in denen die Mitarbeitenden übernachten, Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und entsprechend zertifiziert sind“, erklärt Thomas von dem Bruch. Er ist Geschäftsführer der Rheinland Tourismus GmbH in Sankt Augustin, die Tourismusbetriebe berät und Kurzreisen veranstaltet.
Für ein Reiseziel wie Bonn, aber auch den Rhein-Sieg-Kreis mit seiner Nähe zur Bundesstadt, ist dies ein wichtiger Punkt, denn der Anteil der Geschäftsreisenden am gesamten Touristenaufkommen in Bonn liegt nach wie vor bei über 80 Prozent.
Auch sonst beobachtet von dem Bruch, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Hotel- und Gastronomiebranche an Bedeutung gewinnt, nicht nur wegen der verschärften Richtlinien für Geschäftsreisen. Der Beethovenstadt und dem Rhein-Sieg-Kreis attestiert er hier eine gute Startposition. „Die Region verfügt über eine authentische nachhaltige Vita“, sagt der Touristikexperte und verweist auf die vielen ansässigen UN-Sekretariate und NGOs, aber auch auf die Naturlandschaften im Rhein-Sieg-Kreis. „Nachhaltigkeit ist hier schon lange ein Thema, es gibt dazu ein breites Engagement“, findet von dem Bruch. Daran könne der Tourismus anknüpfen.
„Die Unternehmen zeichnen sich durch nachhaltige Arbeitsweise, engen Bezug zur regionalen Natur und Förderung von umweltfreundlichen und lokalen Produkten aus.” Vanessa Plaga, Geschäftsstelle des Naturparks SiebengebirgeSchaut man sich in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis um und spricht mit Menschen im Tourismusgeschäft, wird klar: Es tut sich etwas. Manchmal sehr deutlich, manchmal noch recht zaghaft: „Viele Akteure haben erkannt, dass an Nachhaltigkeit kein Weg mehr vorbeiführt, wenn man Zielgruppen halten und neue erschließen möchte“, sagt von dem Bruch.
Auch die Bonn-Information hat das Thema Nachhaltigkeit im Blick. „Wir haben 2025 erstmals eine Nachhaltigkeitsführung im Programm“, erzählt Leiterin Birgit Landsberg. „Nachhaltigkeit in Bonn – Regionales, ökologisches und faires Engagement“ heißt die Tour, die Gruppen buchen können. Die Teilnehmenden lernen Urban-Gardening-Projekte kennen, besuchen Second-Hand-Läden und erfahren mehr über die Solaranlage an der Kennedybrücke.
Touristen, die bei der Bonn-Information eine Stadtrundfahrt buchen, müssen sich dabei demnächst keine Sorgen mehr um ihren CO2-Fußabdruck machen. Schon jetzt fährt einer der Doppeldecker-Busse mit Hybrid-Antrieb. „Bis Ende 2025 haben wir in Bonn rein elektrisch betriebene Busse im Einsatz“, erzählt Ulrike Willms, in dritter Generation Geschäftsführerin der Willms Touristik GmbH & Co. KG aus Much. Das Familienunternehmen hat sich mit „CityTour“ auf Stadtrundfahrten spezialisiert und ist mit seinen markanten roten Bussen derzeit in weiteren acht deutschen Städten unterwegs.
Die Flotte besteht aus 31 Doppeldecker-Cabrio-Bussen. Zwei davon fahren seit 2019 mit Hybrid-Antrieb und schaffen damit nach Firmenangaben eine CO2-Reduktion von 80 Prozent. Derzeit rüstet das Unternehmen 25 Busse auf vollelektrischen Antrieb um, ein Dutzend ist bereits fertig. Es profitiert dabei von einem Förderprogramm des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. „Viele Städte wollen bis 2030 emissionsfrei sein“, sagt Ulrike Willms, „wir leisten unseren Beitrag dazu.“
„Sobald die finale Bilanz vorliegt, werden wir analysieren, mit welchen Maßnahmen wir die Emissionen im Festivalbetrieb reduzieren können und diese anschließend umsetzen.” Philipp Seliger, Sprecher des Beethovenfest Bonn
Das Beethovenfest Bonn will seine Emissionen ebenfalls senken. Beispielsweise mit der Einführung des Residenz-Prinzips. „Wir laden jedes Jahr je eine Künstlerin oder einen Künstler sowie ein Ensemble ein, gleich mehrere Konzerte zu spielen und so dem unermüdlichen Touring im klassischen Musikbetrieb entgegenzuwirken“, erklärt Philipp Seliger, Sprecher des Festes.
Das Prinzip der Beethovenfest-Fellowships geht in eine ähnliche Richtung: So erhalten jährlich einige meist jüngere Künstlerinnen und Künstler die Chance, sich über mehrere Monate intensiv mit der Musik Beethovens und dem eigenen künstlerischen Schaffen auseinanderzusetzen. Auf dem Festival präsentieren sie anschließend das Ergebnis dieses Prozesses gleich in mehreren Konzerten. „Das ist künstlerisch spannend“, sagt Seliger, „und zugleich nachhaltig, denn es schont Ressourcen.“
Vor drei Jahren ließ das Beethovenfest zudem in Kooperation mit dem Öko-Institut in Freiburg erstmals das Abschlusskonzert CO2-bilanzieren. Auch im vergangenen Jahr sammelte man gemeinsam mit dem Institut die CO2-relevanten Daten, diesmal für alle Veranstaltungen. Sie werden zurzeit nach drei Bilanzierungsstandards zusammengestellt. „Sobald die finale Bilanz vorliegt, werden wir gemeinsam mit „Knauber ProKlima“ analysieren, mit welchen Maßnahmen wir die Emissionen im Festivalbetrieb reduzieren können und diese anschließend umsetzen“, erläutert Seliger.
„Die meisten Hotels und Restaurants sind Pachtbetriebe. Auf die energetische Sanierung der Gebäude haben Sie deshalb wenig Einfluss, da Ihnen das Gebäude gar nicht gehört.” Michael Schlößer, DEHOGA-Vorsitzender und Hotelbetreiber, BonnIn vielen Hotels und Gastronomiebetrieben nimmt das Thema Nachhaltigkeit ebenfalls Fahrt auf. Ganz einfach ist es in vielen Fällen aber nicht, wie Michael Schlößer berichtet. Er betreibt vier Hotels in Bonn, ist Mitglied im IHK-Arbeitskreis Nachhaltigkeit und engagiert sich zudem als DEHOGA-Vorsitzender in Bonn. „Die meisten Hotels und Restaurants sind Pachtbetriebe“, erläutert Schlößer. Der größte Hebel zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks sei die energetische Sanierung der Gebäude. „Darauf haben Sie aber wenig Einfluss, wenn Ihnen das Gebäude gar nicht gehört.“ Mal sind es private Eigentümer, mal gehören die Gebäude Immobilien- oder Pensionsfonds.
An dieser Schraube können also nur diejenigen drehen, denen die Gebäude gehören. „Deshalb sind wir in unserer Branche insgesamt noch nicht so weit, wie wir gerne wären“, sagt Schlößer. Trotzdem könnten die Betriebe einiges tun, in dem sie etwa Ökostrom oder Produkte aus der Region beziehen oder die Wäschemengen reduzieren.
Einen ungewöhnlichen Beitrag zur Ressourcenschonung leistet Schlößer selbst. Er betreibt unter anderem das BaseCamp Hostel Bonn. Die häufig jüngeren Gäste schlafen hier unter anderem in 13 Retro-Wohnwagen und zwei ehemaligen Eisenbahn-Schlafwagen. „Alles gebraucht“, betont der Hotelier, „echtes Upcycling.“ Zudem arbeitet er beim Catering mit „Hofliebe Organic Food“ zusammen. Der Caterer ist Bio-zertifiziert und kooperiert eng mit dem Biolandhof „Der Leyenhof“ in Bonn-Friesdorf.
„Es geht um Klima- und Umweltschutz. aber wir finden Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich.” Deanielle und Theo Bieger betreiben gemeinsam den Krewelshof in Lohmar.Ressourcenschonung liegt auch Danielle und Theo Bieger am Herzen. Das Ehepaar betreibt den Krewelshof in Lohmar, ihre drei Kinder sind im Unternehmen aktiv. Mit ihrem Landwirtschaftsbetrieb bauen sie vor allem Kartoffeln, Spargel, Erdbeeren und Äpfel sowie Kürbisse an. Einziger Vertriebskanal für die Produkte sind der Hofladen und das eigene Restaurant auf dem Gelände. Weiterer Erwerbszweig: Events – von Hochzeiten bis zu Firmenveranstaltungen. Der Hof am Rand der Wahner Heide zieht viele Ausflügler an, von Familien mit Kindern bis zu Busgruppen.
Nachhaltigkeit ist den Biegers ein wichtiges Anliegen. „Es geht um Klima- und Umweltschutz“, sagt Danielle Bieger, „aber wir finden Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich.“ Dank der Initiative ihres Sohnes Max, der Informatiker ist, kommt beispielsweise in der Hof-Gastronomie Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Damit steuern die Biegers, welche Produkte sie wann in welcher Menge nachbestellen müssen oder wovon gerade viel geerntet wird und somit bevorzugt auf die saisonale Speisekarte gelangt. „Dadurch konnten wir den Materialeinsatz optimieren und reduzieren“, sagt Theo Bieger.
Welche weiteren Schritte zur Nachhaltigkeit möglich sind, dazu haben sich die Biegers kürzlich von Anna-Lena Krannich beraten lassen. Sie ist eine von vier „Transformationscoaches“ und damit Teil eines beim DEHOGA Nordrhein-Westfalen angesiedelten und vom NRW-Wirtschaftsministerium geförderten Projekts, das allen Unternehmen der Gastronomie und Hotellerie im Land zugutekommt (s. Interview: www.ihk-bonn.de, Webcode @3626).
Carmen Döhnert ist im Referat Wirtschaftsförderung und Strategische Kreisentwicklung des Landkreises für Tourismus zuständig und propagiert die kluge Verknüpfung touristischer Angebote mit nachhaltiger Mobilität und mit regionalen Produkten.
„Viele Akteure haben erkannt, dass an Nachhaltigkeit kein Weg mehr vorbeiführt, wenn man Zielgruppen halten und neue erschließen möchte.” Thomas von dem Bruch, Geschäftsführer der Rheinland Tourismus GmbH, Sankt AugustinSowohl der Fernwanderweg Natursteig Sieg einschließlich der neu geschaffenen Erlebniswege als auch die Apfelroute im linksrheinischen Kreisgebiet seien so konzipiert, dass Start und Ziel sowie Etappenpunkte gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen seien. „Die Art der Anreise ist im Tourismus ein wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit“, sagt Döhnert. Der ÖPNV im Kreisgebiet sei gut, viele schöne Ziele würden sich mit Bus und Bahn erreichen lassen.
„Dafür werben wir“, betont Döhnert und verweist beispielsweise auf die Kampagne „Ich steig raus“. Sie spricht vor allem jüngere Zielgruppen an, die man verstärkt gewinnen wolle. Konzipiert wurde eine ganze Reihe von Wander- und Radtouren, deren Startpunkte gut ans ÖPNV-Netz angebunden sind. Praktisch: Man kann die Touren über die App „komoot“ direkt auf das eigene Handy laden.
Ein weiterer Schritt zu mehr Nachhaltigkeit sind Partnernetzwerke. Nicht nur das eingangs erwähnte Projekt „Katzensprung“ im Siebengebirge baut darauf auf, sondern auch die 124 Radkilometer umfassende Apfelroute. Auf der Website apfelroute.nrw können Interessierte nicht nur ihre Tour zusammenstellen, sie finden außerdem zahlreiche Partnerbetriebe. Das reicht von Hofläden über gastronomische Angebote bis zu Mobilstationen. „Es geht dabei um regionale Produkte, kurze Wege und ein Bewusstsein für die Vielfalt unserer Region“, sagt Döhnert, „so stärken wir den Nachhaltigkeitsgedanken.“
Von Lothar Schmitz, freier Journalist, Bonn