Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft und entscheidend für eine erfolgreiche Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität. Noch gibt es aber zahlreiche unbekannte Faktoren, darunter das zukünftige Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg hat deshalb eine Prognose erstellen lassen: Wie groß wird der Wasserstoffbedarf der energieintensiven Betriebe in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis im Jahr 2032 sein? Und wird er sich mit dem geplanten Wasserstoffkernnetz, das in zwei Strängen links- und rechtsrheinisch verlaufen soll, überhaupt decken lassen?
Kapazität des Kernnetzes ist gut bemessen
Für die Untersuchung hat das Fraunhofer Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen (SCAI) in Zusammenarbeit mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg die Daten von insgesamt 26 energieintensiven Unternehmen analysiert. Das Ergebnis: Nach jetzigem Stand werden die Kapazitäten des geplanten Wasserstoffkernnetzes mehr als ausreichend sein, um die Betriebe mit Wasserstoff zu versorgen. Sechs der untersuchten Betriebe sind voraussichtlich auf den Bezug von Wasserstoff angewiesen, da sie einen besonders großen Energiebedarf haben. Für fast alle anderen Betriebe dürfte es wirtschaftlicher sein, für eine CO2-freie Produktion auf elektrische Energie umzustellen.
Vieles noch unklar, aber jetzt werden die Weichen gestellt
„Beim Wasserstoff ist vieles noch Zukunftsmusik. Jetzt aber werden die Weichen gestellt. Dafür braucht es eine gute Datengrundlage“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Hille zu der Auswertung. „Die gute Nachricht ist, dass mit dem Kernnetz eine gute Anbindung unserer Region sichergestellt ist. Wann die Unternehmen in unserer Region Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen beziehen können, ist jedoch noch offen. Hier bleiben in den kommenden Jahren alle Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Forschung gefordert.“
Flächen interessant für Betriebe mit hohem Energiebedarf
Die Untersuchung zeigt außerdem, dass Unternehmen mit Standorten abseits des Kernnetzes auf die Anlieferung mit sogenannten Wasserstofftrailern per LKW oder Bahn angewiesen sein werden. Ein Teil der Unternehmen könnte sich mithilfe von Elektrolyseuren womöglich auch selbst versorgen.
Für Unternehmen, die einen sehr großen Energiebedarf haben, könnten Gewerbeflächen attraktiv sein, die in direkter Nähe zu den beiden im IHK-Bezirk verlaufenden Strängen des Wasserstoffkernnetzes liegen. Auch die Ansiedlung von Elektrolyse-Anlagen, deren Wasserstoff lokal genutzt oder in das Kernnetz eingespeist wird, ist für diese Standorte eine Überlegung.
Neue Leitungen für Umstellung auf Strom nötig
Für den Großteil der heute in Bonn/Rhein-Sieg ansässigen energieintensiven Unternehmen ist die Elektrifizierung der Produktion aber das wahrscheinlichere Zukunftsszenario. „Bei den meisten energieintensiven Unternehmen in unserer Region sprechen Energiebedarf und die Lage des Standorts derzeit für eine Elektrifizierung“, sagt Prof. Dr. Tanja Clees vom SCAI in St. Augustin. „Es kommt auf die Zusammenarbeit und die Initiative von Kommunen, Netzbetreibern und Stadtwerken, aber auch die Unternehmen selbst an, ob ein Standort zukunftsfähig ist und bleibt.“ Um die Produktion von Gas auf Strom umzustellen, müssen leistungsfähigere Leitungen gelegt und das Stromnetz angepasst werden.